Der Nachbarschaftsraum Süd traf sich in Münster
Mittelaltergottesdienst zum Reformationstag
Kraftvolle Wort im Mittelaltergottesdienst
Zu einem Regionalgottesdienst anlässlich des Reformationstages hatte der Nachbarschaftsraum Süd des ev. Dekanats an der Lahn nach Münster eingeladen. Zum diesem Nachbarschaftsraums gehören die ev. Gemeinden in Hünfelden sowie in Weyer und Münster. Der Münsterer Pfarrer Ulrich Finger zelebrierte ihn nach Art eines mittelalterlichen Gottesdienstes.
Inhalt des Gottesdienstes war die sogenannte „Fürstenpredigt“ des Theologen Thomas Müntzer, die dieser vor fünfhundert Jahren im Sommer 1524 vor dem zukünftigen Kurfürst Johann von Sachsen auf der sächsischen Burg Allstedt hielt. Müntzer war ein Anhänger Luthers und führte als Pfarrer in Allstedt die Messe auf Deutsch ein, deren wichtigster Bestandteil das gesprochene Wort, also die Predigt war. Es war die Zeit der Bauernaufstände, die kleinen Leute im Land wehrten sich gegen die immer stärker werdende Unterdrückung und Ausbeutung durch die Obrigkeit. Auch Luther und Müntzer prangerten diese Zustände an.
Pfarrer Finger schlüpfte für diesen Gottesdienst in die Rolle seines mittelalterlichen Alter Ego „Hulderych de Fromholdeskerke“. Mit der ihm eigenen weit hallenden Stimme und kraftvollen Worten gestaltete er den Gottesdienst. „Der Bauer steht auf im ganzen Land“, so begann er und berichtete von den Repressalien gegen die kleinen Leute, Frondienst, Abgabe von Steuern und Zehnten sowie dem Ablasshandel. In der Predigt ging er auf die der Fürstenpredigt zugrunde liegende Stelle aus dem Buch Daniel ein: König Nebukadnezar hat einen Traum, in dem eine Statue aus vier verschiedenen Materialien durch einen schweren Stein zerschlagen wird. Daniel deutet den Traum dahingehend, dass die Statue die vier alten Reiche verkörpert, die durch Gott, den schweren Stein, zerschlagen werden, damit dann das Reich Gottes errichtet werden kann. Thomas Müntzer bezog dies auf seine Gegenwart und rief die „wahren Christenmenschen“ zu Zusammenhalt, Gleichheit und Brüderlichkeit auf.
Diesen Gedanken nahm auch Pfarrer Finger auf. Mit den Worten: „Dass die äußere Ordnung neu entsteht, das ist jetzt UNSER Tun, da müssen WIR Hand anlegen, um das Reich Gottes aufzurichten.“ Im Grunde erzählte auch er ein Gleichnis, indem er die mittelalterlichen Zustände thematisierte. Erschreckend viel davon ist, wenn auch in anderer Erscheinungsform, in der Gegenwart zu spüren. Das mögen im Großen diktatorische Regime, Kriege und Naturkatastrophen auf der ganzen Welt sein, im Kleinen könnte es sich zum Beispiel auch auf die neuen Formate der ev. Kirchengemeinden als Nachbarschaftsräume beziehen.
Ein beeindruckender Gottesdienst, der mal auf ganz andere Weise wachrütteln konnte. Mitgestaltet wurde er bei den Lesungen von Anneke Jung, alias mittelalterliche „Agneta von der Kyrpurg“ und Nicole Ebel an der Orgel.
Der nächste Regionalgottesdienst für den Nachbarschaftsraum findet an Buß- und Bettag, Mi 20.11. um 18.00 im ev. Gemeindehaus in Niederbrechen statt. Gehalten wird er von Pfarrer Wolfgang Plodek aus Dauborn.